Was ist deine Geschichte?
Hannah Grünewald stellt in ihrem écoutee Podcast all ihren Gäst:innen die Frage: Was ist deine Geschichte? Ohne Vorgabe eines Themas, nur mit der festen Überzeugung, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte erzählen sollte. Sensibel und einladend nimmt Hannah sich für jede Geschichte und jeden Menschen Zeit. Den Podcast startete sie in der Hoffnung, dass aus Zuhören Empathie werden kann. In der 28. Folge erzählt Bastian Koch seine Geschichte von seinen Wegen quer durch die Welt, die dann zur Gründung des WelcomeCamps 2016 führten.
écoutee Podcast x WelcomeCamp reinhören
Wir haben Hannah gefragt, was sie gelernt hat nach fast zwei Staffeln des écoutee Podcasts, in denen sie die verschiedensten Menschen kennengelernt und ihnen zugehört hat.
Hi Hannah!
Warum ist das Zuhören so wichtig?
Ich glaube ehrlich gesagt, dass Zuhören der Ursprung für Empathie, die minimalste Einheit von politischer Bildung und Aktivismus ist. Wer zuhört, kann sich empathisch mit der Geschichte, die jeder Menschen zu erzählen hat, verhalten. Daraus erwächst bestenfalls ein Verständnis für größere Zusammenhänge und strukturelle Probleme, was das Handeln jedes einzelnen Menschen beeinflussen kann. Ich glaube außerdem, dass Zuhören, im Gegensatz zum Lesen, eine andere Nähe vermittelt und auch barrierefreier zugänglich ist. In der Stimme jeder einzelnen Person ist ja noch ein ganz eigener Subtext versteckt und man hört eben auch Gefühle wie Freude, Traurigkeit, Unsicherheit, etc. raus.
In deinem écoutee Podcast, ist der Name Programm: Du hörst Menschen und ihren Geschichten zu – wie kam es zu dem Podcast?
Wenn man fürs Radiobeiträge produziert, muss man Menschen häufig in Schubladen stecken. Man erzählt von ihren Berufen, nennt ein paar Eckdaten und gibt häufig ihre Geschichte in einem konkreten Kontext wieder. Das ist oft dem Medium an sich geschuldet, widerstrebt aber meiner Bemühung, Hierarchie- und Machtkritisch mit meiner Arbeit und den Menschen, denen ich begegne, umzugehen. Insbesondere, weil ich als weiße Cis-Frau Teil der bestehenden Machtsysteme bin.
Ich möchte Menschen nicht essentialisieren. Ich habe lange überlegt, wie ich meine politische Haltung hörbar machen kann und dann kam mir die Idee des Podcasts. Was, wenn ich die Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen lasse – ohne invasiv oder suggestiv einzuwirken.
Mit der Frage “Was ist deine Geschichte” lass ich meine Gäst:innen von ihrem Leben berichten, sie erzählen nur das, was sie wollen.
„Wer aufmerksam zuhört, der bekommt auch was erzählt“
Du bist bereits in der zweiten Staffel, was hast du für dich nach so vielen Geschichten gelernt?
Menschen erzählen kaum von den vermeintlich wichtigen Errungenschaften, wie beruflichen Erfolgen, sondern meistens von dem Überwinden einer emotionalen Barriere oder eines krassen Ereignis ihres Lebens, dass sie gemeistert- und von dem sie gelernt haben.
Was ich außerdem gelernt habe: Menschen haben so viel mehr als eine Geschichte zu erzählen, Menschen brauchen Vertrauen, um ihre Geschichte zu erzählen. Wer aufmerksam zuhört, der bekommt auch was erzählt.
Wie geht es für dich weiter, direkt in den Journalismus?
So halb bin ich ja schon drin 😉 Ich habe das große Glück, dass ich auch in meine Jobs zuhören, Interviews mit spannenden Menschen führen darf und mein Wissen über politische und gesellschaftliche Zusammenhänge vertiefen kann. Ich arbeite in der ZEIT ONLINE Podcast Redaktion, als freie Reporterin bin ich für radioeins vom rbb unterwegs und am 01.06.2021 veröffentliche ich gemeinsam mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung einen Podcast rund um die Berliner Wahl am 26.09.2021. Also vor- und hinter dem Mikrofon bleibt es spannend.
Zusammenkommen für eine bessere Welt
Was ist deine Vision für unsere Gesellschaft?
Ich träume von einer diskriminierungsfreien Gesellschaft. Ich spreche vom Träumen, weil ich die Welt und ihre Strukturen und Machtverhältnisse sehe und manchmal wirklich verzweifeln könnte. Auch, weil ich finde, dass die Wurzel allen Übels im Kapitalismus und in der weißen Vorherrschaft liegt und ich auf einer globalen Ebene kaum Veränderung wahrnehme. Ich versuche mich dann auf das zu konzentrieren, was ich beeinflussen kann: Mein Verhalten. Und ich hoffe ganz oft, dass das immer mehr Menschen machen: Mit sich selbst anfangen und dann in größeren Kontexten zusammenkommen und hoffentlich eine Revolution anzetteln. Ich bin auf jeden Fall dabei.
Lasst uns zusammenkommen und eine bessere Welt anzetteln auf dem WelcomeCamp am 19. Juni! Was für eine Freude, dass du dabei bist, Hannah!
Weitere Beiträge dieser Kategorie
Kampagne #FluchtistkeinSpiel (WelcomeCamp Sessiondoku 2021)
In seiner Session erzählt uns Torben Dose von der UNO-Flüchtlingshilfe von der Kampagne #FluchtistkeinSpiel und etwas über This war of Mine.
Politiker*innen mit Migrationsgeschichte (WelcomeCamp Sessiondoku 2021)
Die Deutsche Politik ist noch immer sehr einseitig geprägt. Dabei braucht mehr Diversität, um unsere Gesellschaft richtig abzubilden. Unser Interview mit Tarek Saad, Tareq Alaows und Reem Alabali-Radovan.
Durch Kooperation zum Vertrauensaufbau: Polizei und Geflüchtete im Dialog (WelcomeCamp Sessiondoku 2021)
Wie kann ein Dialog, eine Kooperation zwischen Geflüchteten und der Polizei gelingen und welche Projekte gibt es hierzu? Das erklärt uns Julia von Brücken bauen.